Auf dieser Seite erfahren Sie interessante Details über die verschiedenen Spielstätten in der Stadt Horn von den Anfängen bis zu Gegenwart.
Die Horner Kinogeschichte geht eng einher mit unserer Familie Lehr/Meingast, die seit über 100 Jahren Filmvorführungen in der Waldviertler Bezirkshauptstadt veranstaltet.
Die Anfänge
Ab dem Jahr 1898 versetzten Wanderkinobetreiber regelmäßig die Horner Bevölkerung mit ihren cinematographische Vorführungen in Staunen. Dies waren die ersten Projektionen bewegter Bilder im Waldviertel überhaupt.
Das erste Kino
Im Jahr 1912 finanzierte Kohlenhändler Josef Lehr um 600 Kronen, das entspricht heute etwa 3.000 Euro, den ersten Cinematographen für das Horner Vereinshaus. Das erste ortsansässige Kino war für die Bevölkerung eine sensationelle Neuerung.
Die von Klavierspielern begleiteten Stummfilmvorführungen fanden sonntags statt. Einer der ersten Filme war "Quo Vadis", der aufgrund des großen Publikumsinteresses mehrmals wiederholt wurde.
Die Stadt bekommt ein zweites Kino
Die Zwanzigerjahre waren die goldene Ära des Stummfilms. Am 28. August 1920 eröffnete ein weiterer Kinobetrieb in der Thurnhofgasse Nr. 3 seine Pforten. Das sogenannte "Schredl-Kino". Die Aufführungen fanden in den "Saallokalitäten" des damaligen Gasthauses Schredl statt. Der anfängliche Betreiber war Adolf Hauer.
Angela Lehr erwarb 1924 die Lizenz für diese Spielstätte und pachtete ab 1928 zusammen mit ihren Geschwistern Hans und Maria Lehr das Vereinshauskino dazu.
Die ersten bewegten Bilder von der Stadt Horn
Im Nachlass von Angela Lehr fand sich eine Filmrolle, die Jahrzehnte unbeachtet in einer Blechschachtel auf einem Dachboden überdauerte.
Es handelt sich wohl um eines der ältesten, wenn nicht überhaupt das älteste filmische Dokument über die Stadt Horn aus dem Jahr 1923. Eine alte Wochenschau, die anlässlich der großen Feierlichkeiten zum 50jährigen Bestandsjubiläum der freiwilligen Feuerwehr Horn gedreht wurde.
Der vom Zahn der Zeit bereits stark beschädigte Film wurde in den 80er-Jahren von uns restauriert. 2013 wurde der Film vom Filmarchiv Austria digitalisiert und archiviert. Somit ist der Fortbestand dieses wertvollen Bilddokuments langfristig gesichert.
Kino während dem Zweiten Weltkrieg
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging das Vereinshaus 1938 in den Besitz der Deutschen Arbeiterfront über. Es wurde als „Deutsches Haus“ für Parteiversammlungen, Reden und Musikveranstaltungen verwendet. Wenn keine Veranstaltungen angesetzt waren, durften Kinovorstellungen gezeigt werden.
Die Freiheit der Kinos war in dieser Zeit durch Gesetze und durch Anordnungen der Reichsfilmkammer stark eingeschränkt. Es kam zu Beschlagnahmungen von Filmen. NS-Propagandafilme prägten das Programm. Ab 1941 waren amerikanischen Filme gänzlich verboten.
Kino in der Nachkriegszeit
Nach dem Krieg wurde das Vereinshaus von den sowjetischen Besatzern als Unterhaltungslokal und Kino genutzt.
Angela Lehr suchte ab 1945 um die Wiederverleihung der Lizenzen für beide Kinos an, die der provisorische Gemeindeausschuss billigte.
Erinnerungen von Hans Steininger, dokumentiert im Buch "Erinnerungen an Horn" (ISBN 3902168005) über das Kino ab 1945:
"Gegenüber unserem Haus, im Hinterhof vom Gasthaus Sagl, durch einen Schlupf vom Gang und über Stufen, durchweht vom nie nachlassenden Odeur des Pissoirs, das den Bedürfnissen der Besucher des Wirtshauses, des Lichtspieltheaters und des im Hinterhaus agierenden Fotografen Bartosch diente, - dort hinten tat sich der dunkle, schmale, asymetrische Saal der Kinematographie auf, in dem die Geschwister Lehr bei meist ausverkauftem Haus für die beliebteste Unterhaltung dieser Zeit sorgten.
Hierher wurden wir Schüler in Zweierreihen zu Filmvorführungen der sowjetischen Besatzer gebracht, um im Film russische "Kultura" zu erleben.Und obwohl das meist Propaganda für die Sowjetunion war , wurden die Filme bei uns gut aufgenommen., einerseits weil Filme bei uns einfach beliebt waren, anderseits handelte es sich zum Teil um Meisterwerke wie die Kinderfilme "Die steinerne Blume" und "Das schwarze Pferdchen" oder Filme für Erwachsene wie "Der Amur" und "Panzerkreuzer Potemkin".
Das Stadt-Kino wird errichtet
1952 erwarben die Geschwister Maria, Angela und Josef Lehr das "Kargl"-Haus in der Thurnhofgasse Nr. 14 und errichteten in zweijähriger Bauzeit das damals modernste und größte Lichtspielhaus der Region. Mit Balkon und Parkett bot der Saal des neuen Stadt-Kinos 600 Besuchern Platz.
Am 6. Februar 1954 wurde das neue Kino feierlich eröffnet.
Die lokale Presse schrieb damals:
Schon rein äußerlich betrachtet, würde dieses Kinogebäude mit seiner so erfreulich schlichten und doch so geschmackvollen Fassade dem Cottageviertel jeder Großstadt zur Ehre gereichen. Betritt man den Saal, ist man vollends gefangen und beeindruckt von seiner Größe und Innenarchitektur, bei der alles Dekorative vor der Form zurücktritt.... Mit klarem Geist für Gestalt und Farbe hat hier der Wiener Dipl.-Architekt Robert Pommerenke ein Werk geschaffen, das man als moderne Kunst im guten Sinne des Wortes bezeichnen kann...
Die 50er waren die Blütezeit des Kinos. Es war das Jahrzehnt des Heimatfilms. Großer Andrang herrschte regelmäßig vor den Sonntagsvorstellungen. So groß, dass im Vereinshaus-Kino zeitversetzt dasselbe Kinoprogramm gespielt wurde. Die Filmrollen wurden per Laufbursche von einem Kino in das andere während den Vorstellungen befördert!
Zwei Kinosäle unter einem Dach
1970 wurde der Pachtvertrag für das Vereinshauskino gekündigt. Ausschlaggebend für das Ende des Vereinshauses als Kino waren hohe Investitionen für die marode Heizung, Bestuhlung und Elektrik sowie der Umstand, dass während der Ballsaison an Wochenenden kein Spielbetrieb möglich war.
Auch der große Saal im Stadt-Kino war im angebrochenen Fernsehzeitalter zu groß geworden. Der Balkon des großen Kinos wurde abgetrennt und zu einem kleinen Kinosaal mit 89 Plätzen umgewandelt. 1979 war das Stadt-Kino die erste Spielstätte in Niederösterreich, die einen zweiten Saal besaß.
Die 1980er: Besucherschwund in den Kinos
Der Einzug des Fernsehens und in weiterer Folge des Videorekorders in die Haushalte sorgt auch in den 80er-Jahren für stark rückläufige Besucherzahlen an den Kinokassen. Dies war das Ende vieler kleiner Kinos im ländlichen Raum.
Auch der große Saal des Stadt-Kinos mit seinen 400 Plätzen war viel zu groß geworden.
1988 erfolgte der Komplettumbau des Kinogebäudes. Der neue Saal 1 mit einer Kapazität von 155 Sitzplätzen wurde in den ersten Stock verlegt. Im Erdgeschoss entstanden das Cafe Carambol mit angeschlossenem Billardsalon sowie ein Friseur- und Modegeschäft. Mit Unterhaltung, Handel und Gastronomie unter einem Dach verfolgte das Stadt-Kino bereits frühzeitig ein Konzept, das einige Jahre später die Kinolandschaft komplett auf den Kopf stellen sollte.
Umbruch in der Kinolandschaft
In den 90er-Jahren ging es mit den Besucherzahlen wieder aufwärts. Kassenschlager, wie "Jurassic Park" und "Titanic", sorgten für Goldgräberstimmung in der Kinobranche. Eine neue Form von Kinos, die Multiplexkinos (Großkinos mit mehreren Sälen) schossen allerorts aus dem Boden. Diese Verlagerung der bestehenden Kinosaalkapazitäten von Landgemeinden und Innenstädten hin zu neu errichteten Kinocentern an Stadträndern, in Einkaufszentren und in den Vorstädten hielt auch in Horn Einzug.
Dem Horner Kino drohte, wie vielen anderen alteingesessenen Kinos in Bezirkshauptstädten, ein jähes Ende.
Der lange Weg zum Programmkino
In der Zeit von 1999 bis 2004 beschränkte sich der Spielbetrieb im Stadt-Kino auf gelegentliche Sonderveranstaltungen in Kooperation mit Schulen, Vereinen und Organisationen.
Als Glücksfall erwies sich der Film "We Feed the World", sowie der Umstand, dass in der Umgebung von Horn immer wieder Kinofilme gedreht wurden bzw. einige Regisseure, wie etwa Ulrich Seidl und Schauspielerinnen, wie Erni Mangold im Bezirk wohnhaft sind und ihre Filme im Stadt-Kino präsentierten. Diese Vorführungen stießen auf großes Publikumsinteresse und waren die Geburt des Programmkinos in Horn.
Aufgrund der vielen positive Rückmeldungen von Besuchern und Besucherinnen und den häufigen Bitten doch öfters wieder Filme im gemütlichen Stadt-Kino zu zeigen wurde der Kinobetrieb langsam hochgefahren.
Es begann mit ein bis zwei Filmen und wenigen Vorstellungen pro Monat.
Heute spielt das Stadt-Kino mittlerweile wieder fast täglich. Auf dem Programm stehen fast ausschließlich österreichische und europäische Qualitätsfilme und Dokus.
2014 erhielt das Stadt-Kino zum 60-jährigem Jubiläum den Kulturpreis der Stadtgemeinde Horn.
Das digitale Kinozeitalter bricht an
Ende der 2000er-Jahre befand sich die Kinobranche in ihrer grössten technischen Revolution. Die Filmrolle diente als Trägermedium nach und nach aus und wurde durch digitale Medien (Festplatten) ersetzt.
Im Stadt-Kino brach das digitale Zeitalter im Jahr 2009 mit der Vorführung des Films "Giulias Verschwinden" an. 2013 lief mit dem Film "3096-Tage" die letzte Filmrolle durch einen analogen Projektor.
2014 mussten die Projektoren aus Platzgründen endgültig einer digitale Projektionsanlage auf dem neuesten Stand weichen. Der älteste Projektor, der Bauer B8A, Baujahr 1952 steht als Ausstellungsstück im Foyer des Stadt-Kinos.
2017 erfolgte eine weitere technische Aufrüstung inkl. Erneuerung von Leinwänden und Tontechnik.
Renovierung Kinosaal
Seit 2022 bietet der kleine Saal mit neuen Deluxe-Sitzen einen ganz besonderen Komfort:
- breite Kunstledersitze mit Fußhockern
- hohe Rückenlehnen mit Swing-Funktion
- großzügige Reihenabstände
Quellen:
Familie Lehr/Meingast
"Kino(s) im Waldviertel", Diplomarbeit, Werner Schuh, 2004
"Erinnerungen an Horn", Erich Rabl, Roland Gatterwe, ISBN 3902168005
"Vereinshaus Horn", Festschrift der Stadtgemeinde Horn zur Wiedereröffnung 1989